Süßer Morgenkaffee und ein Tag in
Cho Lon (Teil 5)
Wie meine Leser jetzt schon wissen
bin ich Liebhaber des vietnamesischen Kaffees. Heiß und mit süßer
Kondensmilch. Ob am Morgen zur Belebung oder nachmittags zur
Entspannung. Es war der Morgen an dem ich mich aufmachen wollte um einen
Spaziergang nach Chinatown zu unternehmen.
Cho Lon wie es genannt wird soll
noch mehr Geschäftigkeit aufweisen als die Teile der Stadt welche ich in den
letzten paar Tagen kennen gelernt habe.
An diesem Morgen saß ich in einem
kleinen Lokal und habe eben diesen wunderbaren vietnamesischen Kaffee ausgiebig
genossen. Straßenhändler, meist entzückende Damen mit Hut bedeckt und die
Unterarme in lange Handschuhe gehüllt, priesen hier
ihre kleinen Waren an. Immer wieder zugänglich für netten small-talk und
mit allerlei praktischen und weniger praktischen Artikeln.
Mundtücher gegen die Abgase,
kleine und große Hüte, die schrägsten Feuerzeuge, Wattestäbchen, Putzwedel und
so weiter. Salben, Cremen, Seifen und was einer sonst noch alles für den Alltag
braucht. In all der Zeit, so zwischen plaudern und feilschen um ein Feuerzeug,
sind mir Gruppen an Männern aufgefallen welche sich schon am „frühen“ Vormittag
tigerbeer und Whisky zu Gemüte führten. Es handelte sich um
ehemalige Veteranen der US-Armee die ihren Dienst für Uncle Sam während des
Vietnamkrieges leisteten, nun im Land von Onkel Ho Urlauben und vielleicht auch
bisschen Vergangenheit bewältigen. Organisierter Tourismus in das Land der
ehemaligen Kriegsgegner durch die Veteranenverbände ist an vielen Orten hier
anzutreffen. Für viele dieser ehemaligen GI’s oft vielleicht die einzige
Möglichkeit Urlaub außerhalb der Vereinigten Staaten zu machen. Stellten doch
vorwiegend die unteren Gesellschaftsschichten ihre Söhne für diesen Krieg.
Cho Lon
Der Kaffee war getrunken, das
Feuerzeug erstanden und jetzt heißt es endlich Abmarsch in Richtung Cho Lon. Ein
längerer Spaziergang und ein paar Stationen mit dem Bus führten mich über die
Nguyen Trai direkt in das chinesische Stadtviertel. Cho Lon war ehemals eine
eigene kleine Stadt welche über die Jahrzehnte hinweg mit Saigon verschmolzen
ist. Ein Großteil der Bewohner ist südchinesischen Ursprungs.
Pagoden welche errichtet wurden dienten jeweils den Gläubigen
einer bestimmten Herkunft. Die regionale Herkunft der Sippe wirkte schwer und
galt noch am Ort der Emigration über Jahre hinweg. Noch vor dem
Unabhängigkeitskrieg gegen die Kolonialmacht Frankreich war das Viertel ein
Zentrum für den Opiumhandel und es schien eine Selbstverständlichkeit gewesen zu
sein diese asiatische Kulturdroge hier ausgiebig zu konsumieren. Graham Greene
(„Unser Mann in Havanna“) soll hier öfters vor Ort gewesen sein um sich dem
Vergnügen hinzugeben. Wohl nicht nur des Opiumrauchens Willen. In den Jahren des
Krieges fanden die Kämpfer der Viet Minh und später des Viet Cong
in den verwinkelten Straßen und der Umtriebigkeit Cho Lons vielfach
Unterschlupf. Nach der Wiedervereinigung von Vietnam im Jahre 1975 und dem Krieg
gegen China 1979 wurden tausende chinesisch stämmige Vietnamesen mehr oder
weniger zum Auswandern gezwungen oder fanden es ihrerseits besser das Weite zu
suchen.
Viele gingen als „boatpeople“ in
die traurige Geschichte dieser Zeit ein und füllten die Flüchtlingslager
Südostasiens.
Chua ist vietnamesisch und steht
für Pagode
Chua Nghia An an der Nguyen Trai
war die erste Pagode welcher ich an diesem Tag meine Aufwartung machte. Sie ist
einem sagenumwobenen General aus der Han Dynastie geweiht. Riesige
Räucherspiralen hingen in den Raum und ihr Geruch umschlich mich auf betörende
Art und Weise.
Frauen saßen bequem und
tratschten, Gläubige verrichteten ihre Gebete und es hatte für mich den Anschein
als ob ich gar nicht wahrgenommen worden bin. Doch denke nicht so viel
Reisender, lass dich auf die fremde Umgebung ein und nimm mit deinen Sinnen wahr
was dir begegnet. So setzte ich mich hin und ließ meine Augen durch das Gebäude
wandeln. Leute kamen und gingen, erstanden Räucherstäbchen, verbrannten
Papiergeld um ihre Verstorbenen im Jenseits symbolisch zu unterstützen.
Vis-a-Vis von Chua Nghia An dann eine in den 1930iger Jahren erbaute Moschee.
Überraschend für den Reisenden aber nicht unüblich dieses spirituelle
Nebeneinander in Südostasien.
Nicht weit entfernt befindet sich
Chua Thien Hau. Eine Pagode welcher der Göttin der Seefahrer und Fischer
gewidmet ist. Die Erbauer dieser Pagode stammten aus Kanton und ein hier
ausgestelltes Schiffsmodell soll ihrer gedenken. Reich an Verzierungen und
spiritueller Dekoration scheint diese Pagode als eine der schönsten in der
Gegend zu gelten. Riesige Bronzegefäße stehen hier welche mit Sand gefüllt sind
um dem Räucherwerk Halt zu geben das von den Gläubigen gebracht wurde, langsam
vor sich hin glimmt und in kleinen Wolken Wohlgeruch verbreitet. Werden Spenden
geleistet so wird eine Glocke geläutet. Eine Mischung aus Selbstverständlichkeit
überlieferter Rituale und eine auf den Besucher wirkende Gleichgültigkeit machen
die Sympathie vieler sakraler Bauten aus. Alltagsleben und
spirituelle Zusammenkunft, Totengedenken und Dank für das
Erhaltene. Die Zeit verging viel zu schnell und obwohl ich mich schon längst
entschieden hatte in den nächsten Tagen wieder zukommen möchte ich noch weiter
meinen Sinnen Gutes tun. Chua Quam Am in der Nähe der Straßen Luong Nhu
Hoc und Chau Van Liem. Eine Pagode welcher der Göttin der Barmherzigkeit
gewidmet ist. Hier bin ich auf Bekannte aus Chua Nghia An
gestoßen. Der tapfere General und seine Gehilfen finden auch hier Verehrung und
Unterkunft. Ebenso interessant ist die Versammlungshalle mit dem Namen Hoi Quan
Tam Son in der Nähe von Chua Thien Hau. Diese ist der Fruchtbarkeitsgöttin Me
San gewidmet und bekannt für seine goldenen Schriftzeichen die die Säulen der
Halle schmücken. Und siehe da wer genießt auch hier hohe Verehrung? Der tapfere
General und die Götting der Barmherzigkeit, Quam An.
Der Abend begann sich über Saigon
zu legen und bevor ich mich in Richtung Pham Ngu Lao aufmachte, gönne ich mir in
einem kleinen Restaurant gutes chinesisches Essen. Wie so oft wird man schnell
zu Mittelpunkt wenn man ein Lokal betritt in dem vorwiegend Einheimische
verkehren aber ebenso schnell ist man „integriert“ wenn die bestellte Speise
offensichtlich schmeckt. Ja, und wenn man vor allem keine Vorbehalte gegen
Unbekanntes hat. Vielleicht um einen Nachschlag bittet oder Interesse für die
Herstellung bekundet. Gestärkt ging es dann zurück und so wie ich kam
so erfolgte auch mein Rückweg. Ein paar Stationen mit dem Bus und
in der Nähe meines Quartiers wurde ausgestiegen um das hier bereits auflebende
Abendflair in Anspruch zu nehmen. Müde in meinem kleinen Hotel eingetroffen
erschien mir eine Dusche wohl mehr als überfällig.
„Gute Nacht Saigon“…...wäre jetzt
ein passender Abschluss für diese Zeilen. Doch eine pulsierende Metropole
wie diese mag es nicht wenn man sich verdrückt. Wie recht sie doch hat.
Die Tunnel von Chu
Chi oder wie jüngere Geschichte Devisen macht (Teil 6)
Good Morning….Saigon! Willkommen zurück liebe Leser. Es freut mich,
dass ihr mich weiter auf meiner Reise durch Vietnam begleitet.
Als nächstes wollte ich die Tunnel von
Chu Chi besuchen und habe mich auf den Weg gemacht
eine Agentur zu finden welche solche Ausflüge in ihrem Programm hat. Die
Angebote der hiesigen Reiseagenturen reichten vom Flugticket bis
zu kleinen Tagesausflügen in die Umgebung der Stadt. Sogar die Möglichkeit per
Kleinbus von
Saigon nach Bangkok zu
gelangen wurde angepriesen. Meine Absicht war aber eine andere gewesen. Ich
suchte nach Ausflügen in die jüngere Vergangenheit Vietnams. Lange hatte es
nicht gebraucht um einen Tagesausflug nach
Chu Chi zu finden. Die Tunnel von
Chu Chi waren mir schon ein Ziel bevor ich nach
Saigon gekommen bin. Das mir von Geschichten
und Erzählungen bekannte
Tunnelsystem mit
dem sich der
Viet Cong bis unter die 25. Division der US-Armee gegraben hat. Ein
Ticket war schnell gekauft und am nächsten Tag ging es dann mit einem Bus, einer
Gruppe von Touristen unterschiedlichster Nationalität und einem Reiseleiter in
den Ort
Chu Chi. Den Namen des
Reiseleiters habe ich vergessen, dass er ein ehemaliger Kämpfer des
Viet Cong gewesen war nicht. Ein sympathischer, drahtiger Mann mit
einem entgegenkommenden Lächeln. Er führte uns mit gutem Englisch
in jene Epoche zurück wo sein Land buchstäblich in die Steinzeit
gebombt werden sollte.
Als der Zweite Weltkrieg sein Ende gefunden hatte machte
sich die Kolonialmacht Frankreich daran Vietnam wieder und seine Kontrolle zu
bekommen. Zu dieser Zeit begannen die Widerstandskämpfer der Viet Minh mit dem Bau eines Tunnelsystems. Bis in die Zeit der Auseinandersetzung mit den
Vereinigten Staaten wurde dieses systematisch ausgebaut und
verbessert. 1968 war das Jahr der TET-Offensive (Tet ist
das vietnamesische Neujahr) des Viet Cong und der nordvietnamesischen Armee. Das Tunnelsystem reichte jetzt von Saigon bis an die kambodschanische Grenze. Ein unterirdisches
Netzwerk um Material, Waffen und Kämpfer in die Stadt zu bringen.
Spitäler, Mannschaftsräume, Küchen und Kommandoräume fanden Platz in einem weit verzweigten und für
die GI’s an der Oberfläche fast unsichtbaren Netz von Tunnelgängen. Gut getarnte Eingänge und weit vom Ursprung
liegende Abluftkanäle mit Klappen machten
das Aufspüren der Gänge mehr als schwer.
Selbst Spürhunde konnte nicht immer finden wonach sie suchten. Mit
Hilfe von erbeuteten Alltagsgütern und
Uniformfetzen getöteter US-amerikanischer
Soldaten führte der Viet Cong die Hunde in die Irre. Da die GI’s für den
Kampf in den Tunnelanlagen schlicht und
einfach zu groß gewesen waren wurden verbündete südkoreanische oder thailändische Soldaten für
die Arbeit herangezogen. Im Soldatenjargon wurden diese als „Tunnelratten“ bezeichnet.
Alles wurde versucht um dem Treiben im Untergrund Einhalt
zu gebieten. Die Bevölkerung wurde umgesiedelt und weite Gebiete mit Flächenbombardements überzogen. Das Versprühen
des Entlaubungsmittels Agent Orange zeigt
noch heute die hässliche Fratze dieses Krieges. Jahr für Jahr werden in Vietnam
noch immer Kinder mit Missbildungen geboren die auf das Gift zurückzuführen
sind. Ebenso leiden und sterben noch immer Veteranen der US-Armee
die Umgang damit hatten. Unserer Guide erzählte über Leben und Gebräuche unter
Tag. Über die Angst welche sie durchstehen mussten und die ihnen bewusste Ausweglosigkeit in vielen Situationen.
Wir konnten eine Kostprobe typischer Speisen nehmen welche unter
Tag produziert wurde und sahen einen nachgestellten Kommandoraum sowie eine Küche und auch einen Lazarettraum. Eine kleine Stadt unter der Erde,
ein mobiles Wehrdorf welches sich
systematisch unter den Feind bohrte. Wer wollte und keine Platzangst in sich trug wurde danach eingeladen ein kleines
Stück eines solchen Tunnel durchqueren. Voller Elan machte auch ich mich daran
durch eine kleine Öffnung einzusteigen und ein paar Meter auf den Spuren des
Viet Cong zu wandeln. Von Wandeln konnte allerdings keine Rede
sein. Auf den Knien bin ich durch den Tunnel gekrochen
und sogar einmal an den Schultern steckengeblieben. Und das mir mit meinen 172 Zentimeter
„Höhe“. Wieder aufgestiegen und den Staub von Kleidung und Händen entfernt ging
es weiter zu einem Schießstand. Dort konnte der Besucher gegen Bezahlung ein
paar Schuss mit einer Auswahl an Waffen abgeben die während des Krieges zum
Einsatz kamen. Zunächst auch davon begeistert kam ich aber zu dem Entschluss
mich nicht an der Schießerei zu beteiligen. Ich konnte mich des
Eindrucks nicht erwehren, dass einige unter den Teilnehmern der Gruppe einzig
und allein darauf gewartet haben endlich ein paar Schuss auf „Nichts“
abzugeben. So entzog ich mich diesem vielleicht etwas fragwürdigen
Angebot und sparte meine Dollars für ein Baguette und tigerbeer
mit inklusivem Blick auf die
vorbeihuschenden mandeläugigen
Schönheiten an der Dong Khoi.
Das Museum für Kriegsverbrechen in
Ho Chi
Minh City hatte
dann noch einiges zu bieten. Berichte und Darstellungen über Massaker an
Vietnamesen durch die Armeen Frankreichs, Chinas und der Vereinigten Staaten von
Amerika. Außerdem findet man dort ausrangiertes Kriegsgerät vor und kann sich
der Folgen von Agent Orange am Beispiel
ausgestellter entstellter Föten so richtig bewusst werden. Ich bin
davon überzeugt, dass Reisen auch mit dem Interesse verbunden sein soll mehr
über ein Volk und Land zu erfahren als das Lächeln sein Bewohner
und ihren Service. Erst wenn du auch die Schattenseite einer
Entwicklung, die dunklen Seite der Geschichte in Erfahrung gebracht hast,
kannst du beginnen die Menschen wirklich zu lieben und zu
verstehen.
In diesem Sinne lieber Leser…es freut sich auf ein
Wiederlesen
Von Flanierstraßen und guten
Aussichten (Teil 7)
Die Tage die ich nun schon in Ho Chi Minh
City verbracht habe sind wie im Fluge vergangen. Es scheint als ob ich schon
Wochen hier bin und meine Anwesenheit kein absehbares Ende vorsieht. Mit diesem
wunderbaren Gefühl saß ich hier und habe den Morgen genossen. Die Sonne zeigte
sich schon von ihrer strahlenden Seite und es wurde einer dieser heißen Tage wo
sich die Hitze langsam auf die Stadt legte. Der Kaffee war getrunken, die
Flasche Cola bald ebenso und die Veteranengruppe ehemaliger GI’s vom Café
vis-a-vis begann sich langsam aber sicher in einer Fahne aus tigerbeer und
Zigaretten in den Tag einzufügen. Für mich stand fest, dass ich mit einem
Spaziergang in Richtung Oper den Vormittag füllen wollte. In diese Richtung
deswegen weil ich den Ben Thanh Markt besuchen wollte. Dieser befand sich ganz
in der Nähe meiner Unterkunft. Davor steht unübersehbar inmitten eines fast
undurchdringlichen Verkehrs die Reiterstatue eines gewissen Tran Nguyen Han. Ein
General der im 13. Jahrhundert die wunderbare Idee hatte Tauben für die
Übermittlung von Nachrichten einzusetzen.
Wie an so vielen Straßen in Saigon herrschte hier
ein schier unendlicher Verkehrsstrom aus allen Richtungen. Es war also Vorsicht
geboten wollte ich die Straße überqueren und zum Ben Thanh Markt gelangen.
Erbaut wurde dieser noch unter französischer Kolonialherrschaft und ist eine Art
Wahrzeichen der Stadt. Mit seiner Turmuhr und den Gebäudeumrissen wirkt er von
außer eher wie ein Bahnhof denn als ein Markt. Innerhalb
und außerhalb des Marktgeländes gab es so gut wie alles zu kaufen.
Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs, Geschenke und Kitsch (asiatischer Kitsch
ist einfach phantastisch) sowie selbstverständlich frische Lebensmittel jeder
Art. Nicht zu vergessen die Suppenküchen welche mich förmlich
einluden Platz zu nehmen. Berufstätige aus der Umgebung trafen sich hier um ihre
Mittagssuppe zu nehmen. Dies war der Ort um gute Suppe zu essen
aber nicht jener um sich danach noch gemütlich zurückzulehnen und dem Treiben
Beobachtung zu schenken. Die Plätze an den Küchen waren begehrt und kaum stand
jemand auf, war sein soeben frei gewordener Stuhl gleich wieder
besetzt.
Kurze Zeit danach stand ich wieder im Verkehr
und machte mich auf dem Weg über die Le Loi in Richtung Dong
Khoi. Vorbei an den verschiedensten Geschäften und Straßenhändlern
bis ich an der Oper angelangt war. An ihr lief die berühmte Dong Khoi vorbei.
Hinunter bis an den Saigon River und dem Hotel Majestic wo Graham Greene einen
beträchtlichen Teil seiner Zeit in Saigon verbrachte. Jener bekannte Autor
welcher uns schon einmal in Cho Lon begegnete und von dem ich mir dachte, dass
er zu Leben wusste. Hotel, Restaurants und Cafés säumen diese vom Verkehr
gefüllte Straße die ihren heutigen Namen erst nach der Wiedervereinigung
erhielt. Eine jener Straßen der Welt die Geschichten schreiben und
Herrscher vorbeziehen sehen. Ob als „Avenue“ der französischen Kolonialherren
oder der Verfall während der Zeit des Krieges wo sich zigtausende US-Soldaten
mit Drogen und Prostitution vergnügten. Nach dem Fall der Stadt im Jahre 1975
rollten dann wahrscheinlich die Panzer der Nordvietnamesen hier durch aber die
Straße war und ist noch immer prächtig und empfehlenswert für
jeden Besucher Saigons.
Das Saigon Trade Center an der Ton Duc Thang
mit seinem Restaurant in einem der obersten Stockwerke gibt einen wunderbaren
Blick auf die Stadt und ihrem Fluss frei. Die Preise sind zwar
nicht in der Kategorie wie zu ebener Erde aber es zahlt sich allemal aus. Ich
denke stets, dass eine große Stadt auch an einem Fluss liegen muss. Nicht nur
aus historisch-wirtschaftlichen Gründen sondern weil es ganz einfach dazugehört.
Und wie ich meinem Blick so über die Stadt gleiten ließ, fiel mir ein, dass
heute Abend englische Premier League in den unzähligen Pubs zu sehen ist.
Also schnell nach Hause (schreibe ich nach Hause?) unter die Dusche und
in eine neue Schale. Auf dem Weg zum Saigon Trade Center habe ich
ein Lokal entdeckt welches nach Außen hin einem Fass gleicht und mit seinem
Angebot aus Satellitenempfang, tigerbeer und entzückend lächelndem Personal sich
in meinem abendlichen Terminkalender wie von selbst eingetragen hat.
Mit Mister Long ins Mekong Delta ( Teil 8 )
Das Mekong Delta ist mit ungefähr 40.000 Quadratkilometern und seinem fruchtbaren Boden die riesige Reiskammer des südlichen Vietnam. Während der französischen Kolonialherrschaft begann eine massive Erweiterung der Monokultur Reis und erst Jahre nach der Wiedervereinigung begann Vietnam mit anderen Kulturen in dieser Region zu arbeiten. Heute findet der Reisende hier ebenso Obst- und Maisanbau als auch Schrimps Farmen und Fischzucht vor. Die anfänglich von der durch Hanoi gesteuerten Planwirtschaft schwer beeinträchtigten Bauern entwickelten sich immer mehr zum Rückgrat der Lebensmittelversorgung dieser Region. Meine Liebe zu Schrimps und Getier welches sich im Wasser tummelt war allerdings nicht der Grund meiner kurzen Reise in dieser von Landwirtschaft geprägten Region. Hier leben unter der buddhistischen Mehrheit viele Katholiken, die Angehörigen der muslimischen Volksgruppe der Cham und auch Anhänger des Caodaismus. Über diese bunte Religionsgemeinschaft werde ich euch beim nächsten Mal etwas mehr erzählen.
In einem Minibus und einem Reiseleiter mit dem Namen Long, Mister Long wie er sich vorstellte, ging es am frühen Vormittag in Richtung My Tho. Der sehr gesprächige und witzige Mister Long schien wie geboren für diesen Beruf. Er erzählte viel und ausgiebig. Mal wichtiges mal weniger wichtiges. Doch was ist wichtig und was nicht. Es machte Spaß mit ihm durch die Gegend zu schauen, Fragen zu stellen welche er mit leuchtenden Augen und dem typischen Lächeln dieser Menschen hier beantwortete. My Tho liegt ungefähr siebzig Kilometer von Saigon entfernt und in vielen Reiseagenturen Saigons besteht die Möglichkeit einen Tagesausflug dorthin zu buchen. Das Programm ist im Großen und Ganzen immer das Gleiche aber bei Weitem nicht langweilig wie ich festgestellt habe. My Tho liegt an einem Seitenarm des Mekong, am Tien Gang Fluss. Diese etwas französisch anmutende Stadt ist mit seinem wirklich netten Markt am Kanal das ideale Plätzchen um es sich in den dortigen Restaurants gemütlich zu machen. Die Bootsfahrt hatte sich wirklich gelohnt und die gewonnenen, leider viel zu kurzen, Eindrücke geben einen kleinen Blick frei in die Schönheit des Deltas und dem Leben hier. Dem Mekong, diesen lebensspendenden Fluss Südostasiens, seien hier ein paar Zeilen gewidmet. Alleine seine gigantische Länge von über 4.000 Kilometer welche sich über China, Myanmar, Laos, Thailand, Kambodscha und eben Vietnam erstrecken, lassen erahnen welche Bedeutung er für diese Region besitzt. Stets bringt der Mekong die Fruchtbarkeit des Bodens mit sich und mündet dann hier im Delta wo er noch kräftig den Gabentisch der Natur deckt.
Nach einer Bootsfahrt sowie einer Pause bei zwei schrulligen Herren mit der Vorliebe für das Thema Nummer Eins in der Männerwelt ging es weiter zu einer Schlangenfarm mit dem Namen Dong Tam. Dort dösten Schlange jeder Größe vor sich hin und ich wunderte mich warum bei einigen dieser riesigen Reptilien fette Enten im Käfig hockten. Nun ja, die Lösung war schnell gefunden. Lebendfutter wird nun mal bevorzugt. Dabei putzte sich das Federvieh eifrig und scheint über seinen ruhigen schlafenden Nachbar äußert zufrieden gewesen zu sein. Eine Art Schildkörte mit weißgelblicher Farbe und traurigen Augen schwamm in einem Becken vor sich hin und es schien als ob dieses Geschöpf eher das Ergebnis verschmutzten Wassers oder einer Laune der Natur ist denn ein normaler evolutionärer Vorgang. Angeblich wurde das Tier vor einigen Jahren aus dem Fluss gefischt und keiner hatte gewusst was es genau war. Zum Abschluss des Rundgangs durch die Farm zeigte mir Mister Long den absoluten Höhepunkt der Anlage. Ein aggressiver, verdammt nervöser schwarzer Affe in einem Freiluftgehege arbeitete sich von Ast zu Ast, kam näher und begann fürchterlich zu kreischen. Es schien Usus zu sein, den kleinen Herrn mit seiner etwas unsympathischen Art zu ärgern und Mister Long zeigte wie es am Besten ging. Ein Kugelschreiber welcher gegen die Gitter fuhr erregte die Aufmerksamkeit des hyperaktiven Affen dermaßen, dass er mit seiner Hand in Richtung des Kugelschreibers fuhr und diesen auch erwischte. Nicht so leicht war es dann wieder das Schreibgerät aus den Klauen des kleinen Herrn zu befreien. Zum Glück war auch noch das Gitter dazwischen….dem Affen war einiges zuzutrauen. Es schien ganz so als ob sein Tagesinhalt darin bestand zu Ärgern und geärgert zu werden.
Nun genug von hospitalisierten Affen und dösenden Schlangen die Ente bevorzugen. Die Fahrt ging weiter und wir besuchten eine Insel die durch einen Religionsgründer mit dem Namen Ong Dao Dua bekannt geworden ist. Überlieferungen zufolge hatte sich dieser Herr jahrelang nur von Kokosnüsse ernährt und erlangte auf die Weise Erleuchtung. Nicht umsonst wird er auch als Kokosnussmönch bezeichnet. Eine Glaubensgemeinschaft welche sich aus Teilen des Taoismus, Buddhismus und des Christentums nährte und die Gestaltung skurriler Bauten in seinem kleinen Reich brachten Ong Dao Dua seine heutige Popularität ein. Eine kleine Oase des Friedens entwickelte sich während ringsum Vietnam brannte und in Blut ertrank. Da aber die Mächtigen stets Spielverderber sind, legten ihm sowohl die vergangenen als auch die gegenwärtigen Regierungen seine Anschauungen als Fehler aus.
Reisen meint Staunen, bis zum nächsten Mal liebe Leser
Abschied von Saigon (Teil 9 )
Es gibt mit Sicherheit die
unterschiedlichsten Meinungen zu Ho Chi Minh City. Vielleicht gibt es auch
Reisende denen diese Stadt schlicht zu laut oder zu heiß ist. Meine Erfahrung
mit dieser umtriebigen Stadt war eine äußerst positive die mich immer wieder
gerne zurückkehren lässt. Eine Stadt die ihr umtriebiges Leben zu Schau stellt.
Südostasiatische Lebenskultur an allen Ecken und das bedeutet Tradition gepaart
mit Entwicklung. Die Zeit war nun aber gekommen sich von dieser pulsierenden
Metropole zu verabschieden. Mein weiterer Weg sollte mich bis nach Hanoi führen.
Ich hatte vom
„Reunificationexpress“ gehört. Eine Zugverbindung von Ho Chi Minh City bis nach
Hanoi hinauf. In sechsunddreißig Stunden von Süd nach Nord. Ich wollte diese
Strecke nicht in Einem absolvieren. Aufenthalte in Da Nang und Hue hatte ich
vorgesehen. Interessant für mich war, dass die Bezeichnung
„Wiedervereinigungsexpress“ keiner am Bahnhof kannte. Dieser klingende Name, ein
Hinweis auf die Wiedervereinigung von Nord und Süd im Jahre 1975, steht
wahrscheinlich in den Büchern des Westens. Hier war es ein ganz normaler
Schnellzug, etwas teurer selbstverständlich, der Personen zu ihren Familien
brachte. Für ein mobiles Volk ist eine solche Verbindung von reinem Nutzen. Und
der Umgang mit Geschichte ist in ganz Südostasien ein ganz anderer als in
Europa. Schneller Verzeihen, schneller Vergessen und ein anderer Umgang mit dem
Tod sehen auch die eigene Geschichte anders. Ich besorgte mir ein Ticket bis
nach Da Nang. Die nächste Station wo ich ein paar Tage mich umsah bevor ich in
die alte Kaiserstadt nach Hue weiterreisen wollte.
Von Saigon aus verabschiede ich
mich zunächst einmal aus Vietnam. Wer meine Texte gerne liest, der ist für die
nächsten zwei Monate eingeladen mich nach Thailand, Laos und Südindien zu
begleiten. Zwei Monate werde ich dort verbringen und euch einiges berichten und
kleine Geschichten über Alltag und Sehenswertes aus der Gegend erzählen.
Wolfgang